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Chemieunfall im Klärwerk = Gefahr auch beim Schülerexperiment?

Trotz Sicherheitsvorkehrungen gab es einen Chemieunfall in einem Klärwerk der Berliner Wasserbetriebe (BWB). Wasserstoffperoxid wurde in den Vorratsbehälter für Natronlauge gefüllt und umgekehrt. Das erforderte einen beherzten Feuerwehreinsatz. Wasserstoffperoxid und Natronlauge werden auch in Standard-Schülerversuchen im Chemieunterricht verwendet. Droht hier unterschätzte Gefahr?

Das Klärwerk Schönerlinde ist eines von mehreren Kläranlagen der Berliner Wasserbetriebe. Abwasser aus Haushalten, Gullys und Industriebetrieben wie Tesla darf keinesfalls sofort zurück in natürliche Gewässer, sondern tritt den Weg in die Kläranlage an. Die Selbstreinigungskräfte eines Ökosystems wäre mit den Stoffeinträgen der Menschen heillos überfordert. Die Kläranlage schafft das, braucht dafür aber mehrere Reinigungsstufen.

Neben der eingängigen und bekannten mechanischen und biologischen Reinigung bedarf es auch einer chemischen Reinigungsstufe. In Kläranlagen entstehen giftige Gase, z. B. Schwefelwasserstoff. Eine Gaswäsche, auch Chemowäsche genannt, «reinigt» diese Abluft. An dieser Stelle kommen die chemischen Verbindungen Wasserstoffperoxid (H2O2) sowie Natronlauge (NaOH) ins Spiel.

Die Abluft wird durch einen Gaswäsche-Turm geleitet, in den ebenfalls die Waschlösung mit den beiden Chemikalien eingeleitet wird. Die stark basische (alkalische) Natronlauge neutralisiert den sauren Schwefelwasserstoff: Schwefelwasserstoff und Natronlauge reagieren zu Natriumsulfid und Wasser. Natriumsulfid kann jedoch immer noch stark Augen und Atemwege reizen und sollte oxidiert werden. Das erledigt Wasserstoffperoxid: Natriumsulfid und H2O2 reagieren zu Natriumsulfat und (noch mehr) Wasser.

Bei einer folgenschweren Verwechslung im Klärwerk wurde die Natronlauge laut einem Bericht des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in den Vorratsbehälter für Wasserstoffperioxid eingefüllt und umgekehrt. Der rbb zitiert einen Sprecher der BWB mit der Aussage, dass sich die »Anlage auf über 80 Grad stark erhitzt hat«. Zeitweilig wurde ein Sperrkreis eingerichtet. Gefahr für Anwohner bestand jedoch nicht.

Bei der chemischen Reaktion von Wasserstoffperioxid mit Natronlauge unter nicht-laborartigen, unkontrollierten Bedingungen mit starken Konzentrationen könnte möglicherweise Natronperoxid entstehen, ein stark oxidierendes Salz.

Peroxide bezeichnen allgemein Verbindungen, in denen eine O-O-Bindung vorliegt. Peroxid-Salze, wie Natronperoxid, sind starke Oxidationsmittel, die brennbares Material leicht entzünden oder sogar explosionsartig reagieren.

Stefanie Ortanderl und Ulf Rietgen, 22018, Chemie – Das Lehrbuch für dummies. Wiley-VCH, S. 601.

Kann das auch im Labor in der Schule passieren? Nein – wenn man sich an die Sicherheitsbestimmungen der RiSU hält.

»In reinem Zustand ist [Wasserstoffperoxid] H2O2 eine blassblaue Flüssigkeit, die sich beim Erwärmen oder in Gegenwart eines Katalysators [wie z. B. Natronlauge!] explosionsartig zu Wasser H2O und [molekularem Sauerstoff] O2 zersetzt.«.

Karl Schwister (Hrsg.), 2010, Taschenbuch Chemie, München: Fachbuchverlag Leipzig, S.273

Wasserstoffperoxid zerfällt also unter Umwandlung von chemische in thermische Energie (exotherme Reaktion) zu Sauerstoff und Wasserstoff. Die Zugabe von Natronlauge als Katalysator beschleunigt diesen Zerfall. Das stark oxidierende Natronperoxid – ein Salz der schwachen Säure Wasserstoffperoxid – entsteht bei dieser katalysierten Zersetzungsreaktion unter Laborbedingungen jedoch nicht!

Nichtsdestotrotz sind eine professionale Gefährungsbeurteilung und Ersatzstoffprüfung im Umgang sowohl mit Wasserstoffperioxid (etwa bei der Darstellung von Sauerstoff durch das Tröpfeln auf Braunstein) als auch reinem Natron natürlich geboten (löst sich in Wasser unter starker Wärmeabgabe). Happy End: Das Klärwerk in Schönerlinde läuft nach rbb-Informationen übrigens wieder im Normalbetrieb.

Welches Gefahrstoffinformationssystem nutzen Sie zur Erstellung der Gefährungsbeurteilungen bei Experimenten – D-GISS oder DEGINTU? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne in den Kommentaren.

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Fritz Fuchs goes Chemistry

NAWI- und Chemielehrer in der SEK I aufgepasst: in der ZDF-Mediathek gibt es die Sneak-Preview für eine der coolsten Fritz Fuchs-Folgen ever! „Chemie – Experiment mit Folgen“ 😮 Mit dabei: der Elemente-Rap, das ultimative Flipped-Classroom-Elemente-Suchspiel und, mein persönliches Highlight, das „Vergolden“ einer Kupfermünze! Hier gehts zum Video: ZDF-Mediathek

#chemieunterricht #chemie #schule

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Dicke Luft

Silvesterfeuerwerk und Chemiestunde – die perfekte Kombination, um in der 7. Klasse ins Thema Luft und Gase einzusteigen. Die Schüler entwickeln anhand einer simplen, aber einprägsamen Vorführung erste Hypothesen über Luftschadstoffe. Eine handelsübliche Wunderkerze wird in einem geschlossenen Gefäß verbrannt. In unserem Fall ein 2 Liter Messzylinder. Eindrucksvoll füllt sich der Zylinder zügig mit braunem Rauch. Und am Ende legt sich ein Feinstaubteppich um das Gefäß, das die Wunderkerze gehalten hat.

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Neu im Bücherregal

Ball, Philip (2022): Die Elemente. Entdeckung und Geschichte der Grundstoffe. Bern, Haupt, 225 S., 48,00 Euro.

Fahren Sie vom Zentrum der Kisch-Metropole Prag mit dem Auto 35 Minuten ins böhmische Umland, dann erreichen sie den kleinen Ort Kutna Hora. Sie entdecken dort neben einer bizarren Knochengruft eine wirklich eindrucksvolle und architektonisch einmalige Kathedrale (Abb. 1) Es dauerte fast 500 Jahre, die Kathedrale fertig zu stellen, Gründe für die Verzögerung waren finanziell angespannte Zeiten und die Hussitenkriege.

Abb. 1: Kathedrale der heiligen Barbara, Kutnà Hora, 1388-1905 rekonstruiert in neogotischem Stil (c) Dr. Tim Jäkel, 2019.

Der Reichtum für dieses Bauwerk entstammt den frühneuzeitlichen Silberbergbau in dieser Region. Silber zählt neben Gold zu Kupfer zur Gruppe der Edelmetalle. „Edel“ waren diese Metalle, weil sie für die Münzherstellung verwendet wurde. Die chemische Eigenschaft hinter der Zuschreibung „edel“ ist jedoch die ausgesprochene Trägheit von Gold, Silber und einiger anderer Metalle in dieser Gruppe des Periodensystem, mit dem Sauerstoff in der Luft zu reagieren. Aufgrund ihrer geringen Affinität zu Sauerstoff eignen sich Gold, Silber und auch Kupfer hervorragend zur Schmuckherstellung, oder eben als Zahlungsmittel. Denn wer vertraut schon einer verrosteten Eisenmünze?

Abb. 2: „Silberbergbau in Kutná Hora, Böhmen (heute Tschechische Republik). Aus einem illuminierten Gesangsbuch, 1490, Sotheby’s London.“ Quelle: Ball, Philip (2022): Die Elemente. Entdeckung und Geschichte der Grundstoffe. Bern, Haupt, S. 98.

Diese und unzählige weitere herrlich illustrierte Geschichten über die chemischen Elemente erzählt Philip Ball in seiner jüngsten Publikation aus dem Berner Haupt Verlag. Eindeutige Empfehlung: kaufen!

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Alchemistenstunde in der Schule

„Vergolde“ eine 2-Cent-Münze

Andere Länder, andere Münzen. Glänzt die 5 Jiao-Münze aus China nicht herrlich goldgelb? Wir wissen natürlich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Vielleicht sollten Sie das auch Ihren Schülern näher bringen, um sie auf das Berufsleben vorbereiten.

Lassen Sie Ihre Schüler in der letzten Chemiestunde vor Weihnachten doch die rot-bräunliche 2-Euro-Cent-Münze versilbern und vergolden.

Achtung Haftungsausschluss

Führen Sie dieses Schülerexperiment nicht ohne Risikobewertung und Gefährdungsabschätzung für Ihre Lerngruppe durch! Beachten Sie insbesondere die GHS-Einstufungen für Zinkstaub!

Schritt 1: „Versilbern“

Das Schülerexperiment besteht aus zwei Phasen. In einem ersten Schritt erhitzen die Schüler eine oder mehrere gereinigte 2-Euro-Cent-Münze (geht auch mit einer 5-Cent-Münze) in einer Natronlauge mit Zinkpulver vorsichtig bis zum Sieden. Dadurch wird die Kupfermünze (Cu, für Kupfer) mit Zink (Zn) überzogen (Abb. 1) Die Schüler spülen die grobe Zinkschicht kurz mit (dest.) Wasser ab. Die Münze verfärbt sich und bekommt einen silbernen Glanz, die Münze wird ,,versilbert“ (Abb. 2).

Schritt 2: „Vergolden“

In einem zweiten Schritt Münze erwärmen die Schüler die Münze mit Hilfe einer Tiegelzange in der Brennerflamme. Die Münze darf dabei nicht glühen. Dabei drehen sie die Münzen regelmäßig im Feuer. Nach kurzer Zeit verwandelt die Münze ihre silbrige Oberfläche in goldgelben Glanz! (Abb. 3). Beim Erhitzen erhält die silber-glänzende Münze eine gold-glänzende Oberfläche die Münze wird „vergoldet“. Tatsächlich findet hier aber eine andere Reaktion statt.

Abb. 3: eine „normale“ und eine „vergoldete“ 2-Euro-Cent-Münze

Nicht-technische Erläuterung

Kupfer (Cu) und Zink (Zn) sind Metalle. Eine Mischung aus einem oder mehreren reinen Metallen bezeichnen wir als Legierung. Legierungen sind zugleich homogene Stoffgemische, die einzelnen Bestandteile sind weder mit dem bloßen Auge noch mit optischen Hilfsmitteln wie Lupe oder Mikroskop zu erkennen.

Legierungen haben andere Eigenschaften als ihre Ausgangsmetalle. Sie sind fester, härter, korrosionsbeständiger und haben i.d.R. eine andere Farbe.

In unserem Experiment verbinden sich die Ausgangsmetalle Kupfer und Zink zu der Legierung Messing. Anders herum ausgedrückt:

Messing ist eine Verbindung der beiden Metalle Kupfer und Zink.

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Silvesterstunde: die Chemie hinter Zinngießen 

Dieser Silvestergag, den viele Supermärkte jetzt vor Silvester feilbieten, macht sich die relativ niedrige Schmelztemperatur des Metalls Zinn zu Nutze. Metalle und ihre chemischen Eigenschaften sind Thema im Chemieunterricht in Klasse 7.

Zinngießen bietet eine perfekte Kombination aus Methodenerwerb (Schmelzpunkt experimentell bestimmen) und Aha-Effekt für die letzte Chemiestunde vor den Weihnachtsferien.

Beim Zinngießen wechselt Zinn zunächst durch Erhitzen vom festen (s, für solid) in den flüssigen (l, für liquid) Aggregatzustand.

Statt einer Kerze wie im handelsüblichen Set verwenden die Schüler einen Gasbrenner. Erhitzt wird in einem Verbrennungstiegel (statt Löffel im Set). Die Menge von 2-3 Gramm Zinn. behalten wir bei. Mit einem Temperaturmessgerät (Infrarotmessung der Oberflächentemperatur) bestimmen die Schüler iterativ einen Näherungswert für den Schmelzpunkt von Zinn. Sie messen unmittelbar nachdem sie die vollkommen flüssige Schmelze vom Feuer genommen haben (die Messung ergibt circa 280-290°C).

Sie beobachten nun, wie die Schmelze wieder erstarrt und messen erneut, sobald die Oberfläche des Zinn wieder in den festen Aggregatzustand übergeht. Aus den Messwerten bestimmen Sie ein Intervall, innerhalb dessen die tatsächliche Schmelztemperatur von Zinn liegt (232°C). Abschließend vergleichen Sie ihren Näherungswert mit dem Wert aus dem Tafelwerk.

Und zum Schluss kommt der Gag: die Schüler schmelzen das Zinn ein weiteres Mal und lassen die Schmelze in eine mit Wasser gefüllte pneumatische Wanne gleiten. Die entstehenden Figuren (siehe Foto), sagen nach antiker Überlieferung die Note in der nächsten Klassenarbeit voraus ;). Die beiden Videos zeigen das ganze Experiment in Kurzform.

P.S. die Einheit für die Temperatur Grad Celsius (°C) wurde vor 300 Jahren vom Schweden Anders Celsius erfunden (kein Scherz).

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