Berlin hat kein Geld übrig – zumindest nicht für Bildung und Kultur. Mangels Interesse der öffentlichen Hand bzw. handfester Förderung schloss das Kleine und feine Grosz-Museum in einer ehemaligen Tankstelle in der Bülowstraße in Schöneberg 2024 seine Pforten. George Grosz und sein Nachlass blieben seitdem ohne Domizil. Bis jetzt.

Eingerahmt und gleichsam beschützt von japanischen Rittern der Edo-Periode hat George Grosz eine zumindest temporäre Heimstatt in Berlin gefunden. Das Samurai-Museum Berlin präsentiert in seinen modernen Räumen in der Albertastraße 68 noch bis August 36 Originalzeichnungen des prominenten Künstlers aus der Mappe „Interregnum“ (Deutschland zwischen den Kriegen).

Als Gastkurator betreut Ralph Jentsch die Ausstellung. Er verantwortet ebenfalls den englischsprachigen Katalog zur Ausstellung mit dem Titel »The Muckraker«. Jentsch vergleicht das Wirken Grosz‘ mit dem eines zu deutsch »Misträumers«, neudeutsch Whistleblowers, der Missstände nicht verhindern, aber doch zumindest aufdecken kann.

Grosz wohl bekanntestes Werk ist das Gemälde „Stützen der Gesellschaft“ aus dem Jahr 1929. Darin kritisiert und karikiert er die unheilvolle Allianz aus alten Militaristen, neuen Nazis, kriegsgeilen Pfaffen und Hugenbergs Deutschnationalen in der Weimarer Republik.

Grosz‘ Zeichnungen aus der Mappe »Interregnum« von 1936 sind ganz in diesem Sinne ebenso messerscharf, bedrückend und enthüllend wie seine »Stützen der Gesellschaft«. Ich habe drei Zeichnungen ausgewählt. Alle drei lassen sich als Quellen zum Thema Weimarer Republik im Geschichtsunterricht der Klasse 9 oder Klasse 11 einbinden: (1) »Erinnert Euch!« ermöglicht Querverbindungen zu den politischen Morden der frühen Weimarer Republik. (2) »Keine Ausnahme möglich« – veranschaulicht Massenarbeitslosigkeit und Kündigung als Standardroutine in der späten Weimarer Republik. (3) »Konnten nichts aus ihm rauskriegen« – Am aufwühlensten ist sicherlich die nackte Gewalt der Nazis gegen ihre politischen Gegner, d.h. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und alle, die sich dem Hitlerfaschismus frühzeitig entgegenstellen.

Ein Besuch im Samurai-Museum lohnt sich also nun doppelt: japanische Kultur und Kriegerausrüstungen aus der Edo-Zeit zusammen mit Werken einem der bekanntesten deutschen Künstler der Weimarer Zeit.