Kehrmaschinen beseitigen Schmutz und Laub von Straßen und Gehwegen. Das verhindert Unfälle im Straßenverkehr und von Fußgängern, außerdem entspricht es dem menschlichen Bedürfnis nach Sauberkeit und einer gewissen Ordnung. Kehrmaschinen machen bei ihrer Arbeit allerdings extremen Krach. Außerdem stoßen sie, wie alle Verbrennungsmotoren, in großem Umfang Schadstoffe aus. Kommunale Nutzfahrzeuge, dazu gehören auch noch Müllfahrzeuge, Kehrmaschinen, Busse, aber auch Laubbläser, sind eine Quelle von Lärm- und Luftverschmutzung. Und viel Lärm und Dreck macht auf die Dauer krank.
Wenn spätabends oder sogar nachts Kehrmaschinen durch ein Wohngebiet rollen, ist das extrem ärgerlich und rücksichtlos von der zuständigen Verwaltung. Wer tagsüber arbeitet oder lernt, hat abends und nachts ein Recht auf Erholung und gesunden und ruhigen Schlaf.
Der Zeitpunkt der Lärmverschmutzung lässt sich relativ leicht ändern, wenn die Verwaltung die Maschinen tagsüber nur zu bestimmten Uhrzeiten losschickt. Die Intensität der Lärmverschmutzung lässt sich nicht so leicht beeinflussen. Eine Möglichkeit besteht darin, beim nächsten Mal ein geräuschärmeres Müll oder Kehrfahrzeug anzuschaffen. Und an dieser Stelle kommt die öffentliche Beschaffung ins Spiel. Denn, wo Nachfrage ist, ist auch Angebot.
Das Bundesumweltamt hat dazu heute eine interessante Studie sowie einen praktischen Leitfaden für umweltfreundliche öffentliche Beschaffung veröffentlicht. Beides fügt sich sehr gut zusammen.
Umweltfreundliche Beschaffung in den deutschen Bundesländern im Jahr 2020
Die Studie von Thomas Schneider und Vanessa Schmidt (Schneider and Schmidt, 2020) gibt eine aktuelle Auskunft über den Stand der umweltfreundlichen Beschaffung in den deutschen Bundesländern im Jahr 2020. Fast alle Bundesländer haben mittlerweile Soll-Vorschriften zu ökologischen Vergabekriterien in ihren Landesabfallgesetzen und Vergabegesetzen eingetragen. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sind allerdings die klaren Vorreiter, wenn es darum geht, diese hehre Grundsätze und Ziele in konkrete Verwaltungsvorschriften, Leitfäden oder Vergabehandbücher umzusetzen.
Hindernisse für umweltfreundliche Beschaffung
Frühere Studien haben drei Hindernisse für nachhaltigere öffentliche Beschaffung herausgearbeitet: Ein vermeintlich hoher Anschaffungspreis von nachhaltigen Produkten gegenüber konventionellen Produkten, mangelnde Unterstützung der Entscheidungsträger gepaart mit der Angst der Beschaffer, Fehler in der Ausschreibung zu machen, behindern die Aufnahme ökologischer und sozialer Kriterien in den kommunalen Vergabeprozess (Hepperle, 2016; Sandberg, 2013; Broens et al., 2018). Städte und Landkreise in Deutschland stehen mit diesen Problemen nicht allein da. Eine frühere, nicht-repräsentative Umfrage unter Kommunen in europäischen Ländern aus dem Jahr 2005 hat ergeben, dass die „beiden Haupthindernisse für eine Ausweitung [umweltfreundlicher Beschaffung] ein Mangel an Informationen zu Kriterien und Möglichkeiten der umweltfreundlichen Beschaffung und ein Mangel an (finanziellen) Ressourcen [sind].“ (Ochoa and Günther, 2005, S. 27-28). Für Kommunen, die bereits Umweltkriterien in Beschaffungsausschreibungen integrieren, ist der Mangel an finanziellen Ressourcen das Haupthindernis. Nachzüglern mangelte es dagegen an praktischen Informationen.
Leitfaden Schadstoff und Geräuschbelästigungen
Bei letzteren leistet der aktuelle Leitfaden des Umweltbundesamtes (Umweltbundesamt, 2020) Abhilfe: er legt konkrete Anforderungen und Prüfwerte für Kommunalfahrzeuge fest und fügt ein Abfrageformular/Anbieterfragebogen bei, mit dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beschaffungsämtern Angebote sinnvoll vergleichen können.
Öffentliche Beschaffungsämter arbeiten mit Leistungsanforderungen. Konkret legt die Beschaffungsstelle Zuschlagskriterien fest. Zuschlagskriterien bewerten die Wirtschaftlichkeit einer Leistung (in diesem Fall eine Kehrmaschine oder ein Müllfahrzeug), die ein Unternehmen anbietet. Das wirtschaftlichste Angebot, d.h., das Angebot, dass den Kriterien und Anforderungen am ehesten entspricht, erhält den Zuschlag und wird gekauft. Der Preis und die Lebenszykluskosten eines Produkts sind sehr wichtige Kriterien. Aber es hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass Umwelteigenschaften ebenso berücksichtigt werden sollten. Bei Müllfahrzeugen sollten konkret Geräuschbelästigungen ein gewisses Maß nicht überschreiten. Die Beschaffungsstelle steht also vor der Herausforderung, die Betriebsgeräusch vergleichend zu bewerten und zu berücksichtigen.
Das Betriebsgeräusch eines Kommunalen Nutzfahrzeugs wird anhand des Schallleistungspegels, gemessen in Dezibel (dB), bewertet. Den Wert, den die Maschine nach Ansicht des Leitfadens nicht überschreiten sollte, hängt von der Leistung des Verbrennungsmotors an (in PS bzw. kW, wie beim Auto). Der Prüfwert liegt zwischen 95 und 104 dB plus Standardabweichung oder Unsicherheitsfaktor. Ein Beispiel: Wendet man diese Umwelteigenschaften als Ausschlusskriterium an, dann dürfte eine Kehrmaschine mit 4,4kW Leistung und 99dB Schallleistungspegel LWA nicht gekauft werden. Denn der Schallleistungspegel liegt selbst bei einem Unsicherheitsfaktor von 3dB über dem zulässigen Prüfwert LWad von 98 dB, den der Leitfaden vorschlägt.
Themen für künftige Forschung
Ungeklärt und ein spannendes Thema für künftige anwendungsorientierte verwaltungswissenschaftliche Forschung ist nun die Frage, wie bekannt diese Handbücher und Leitfäden in den Beschaffungsämtern der großen Städte sind. Wird von ihnen tatsächlich Gebrauch gemacht, wenn es darum geht, beim Zuschlag für ein Angebot nicht nur auf die Lebenszykluskosten, sondern auch auf Umwelteigenschaften zu schauen? Gibt es empirische Evidenz dafür, dass tatsächlich mehr Steuergeld nach Umweltkriterien ausgegeben wird?
Die Studien
Broens, M.; Blank, F.; Fischer, J.; Bogaschewsky, R. (2018): Biobasiert Produkte im öffentlichen Einkauf, Cebra-Magazin, abzurufen unter: https://www.vubn.de/userfiles/memberdocs-6b5b15bcfb0a80b0acc59a1f4367f87d.pdf
Hepperle , Florian (2016). Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung: Eine empirische Studie auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg. Springer Gabler. Dissertation Uni Ulm.
Ochoa, A. and D. Günther (2005). Umweltfreundliche Beschaffung in Europa – Ergebnisse einer Befragung unter öffentlichen Beschaffern. Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung: Innovationspotenziale, Hemmnisse, Strategien. R. Barth, C. Erdmenger and E. Günther. Heidelberg, Physica-Verlag: 23-31.
Sandberg, B. (2011). „Vergabefremde Ziele in der öffentlichen Beschaffung.“ VM Verwaltung & Management 17(2): 59-66.
Schneider, T. and V. Schmidt (2020). Regelungen der Bundesländer auf dem Gebiet der umweltfreundlichen Beschaffung, Umweltbundesamt: Texte 126/2020. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-07-02_texte_126-2020_regelungen-bundeslaender-beschaffung.pdf
Umweltbundesamt (2020). Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung: Kommunalfahrzeuge, Umweltbundesamt: Ratgeber 24. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/leitfaden_zur_umweltfreundlichen_oeffentlichen_beschaffung_kommunalfahrzeuge.pdf